Sozialer Stress: Unterschätzte Belastungen des modernen Lebens

von Sabine Stadler.

(Psycho-)Sozialer Stress? Sagt vielen Menschen erst mal wenig. Dabei schleicht er sich oft unbemerkt in unser Leben und beeinflusst subtil, aber nachhaltig unser Wohlbefinden. In einer Welt, die zunehmend vernetzt, komplex und dynamisch ist, sind die Szenarien vielfältig und decken eine riesige Bandbreite ab: von unterschwelligen zwischenmenschlichen Unannehmlichkeiten bis hin zu schwer wiegenden Konflikten. Das gilt für unser privates wie berufliches Leben gleichermaßen. Wo Menschen zusammen leben oder arbeiten, menschelt es eben, nicht immer mit gutem Ende.

Einfach ausgedrückt ist sozialer Stress der, der zwischen Menschen stattfindet. Er bezieht sich auf die Anspannungen oder Belastungen, die durch soziale Interaktionen, Differenzen, Normen oder Erwartungsdruck, aber auch durch externe Faktoren in Beziehungen oder Gemeinschaften entstehen können.

Wissenschaftler, die zum Thema Stress forschen, kommen teilweise zu Ergebnissen von bis zu 80 % als prozentualem Anteil psychosozialen Stresses am Stressaufkommen insgesamt. Unsere eigenen Beobachtungen ergeben ein ähnliches Bild. Aber wie erkennt man sozialen Stress, wo und in welcher Form kommt er überhaupt vor und was macht er mit uns?

Beispiel Paarbeziehungen und Familie:

Artikel 16 der UN-Menschenrechtscharta beschreibt die Familie als „die natürliche und grundlegende Einheit der Gesellschaft“, als Keimzelle sozusagen. In der Familie werden die Grundlagen geschaffen für die Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen (sollten). Der Erziehungsratgeber des Bayerischen Landesjugendamts schreibt beispielsweise, dass “für eine gesunde Erziehung ein Familienklima erforderlich ist, in dem das Kind Respekt, Wertschätzung, Wärme, Geborgenheit, Offenheit, Anregung und Unterstützung erfahren kann.” Wir persönlich würden noch weitere sozialverträgliche Merkmale hinzufügen wie Fähigkeit zum Kompromiss, zum Diskurs und der menschen- und sachgerechten Kommunikation oder – ganz wichtig – das grundsätzliche Interesse am anderen Menschen und das Verstehenwollen von Motiven, die nicht zwingend den eigenen entsprechen.

Nur sind enge und engste Beziehungen nicht automatisch immun gegen zwischenmenschliche Probleme. Wir empfinden sozialen Stress, wenn wir Angst haben, Erwartungen, die an uns gestellt werden, nicht erfüllen zu können. Wenn unsere natürlichen Bedürfnisse nicht erkannt oder ignoriert werden. Wenn wir nicht wertgeschätzt oder ausgegrenzt werden. Wenn wir in Konflikte geraten und diese nicht lösen können und vor allem, wenn es uns nicht gelingt, auch in schwierigen Fällen angemessen zu kommunizieren.

Beispiel Arbeitsplatzdynamiken:

Sozialer Stress versteckt sich oft hinter einem Schleier des Alltäglichen. In der Hektik des Lebens werden erste kleine Anzeichen oft übersehen, nicht ernst genommen oder es fehlt ganz einfach die Zeit zur reflektierten Auseinandersetzung. Im beruflichen Umfeld können z.B. Konkurrenzdenken, unklare Rollenvorstellungen oder -erwartungen, Überforderung, Teamkonflikte, Diversität, schlechte Kommunikation, Erfüllungsdruck oder auch Angst vor Ablehnung oder Kontrollverlust “unbehandelt” zu einer nachhaltigen Belastung werden.

Beispiel Soziale Medien und Vergleichsdenken:

Das sprichwörtliche Gras war beim Nachbarn schon immer grüner. Aber seit sich digitale Technologien so rasant weiterentwickeln, trügt der Schein noch viel öfter und oft genug lassen wir uns auch blenden oder spüren immer wieder kleine Neid-Stiche. Als soziale Wesen vergleichen wir uns automatisch, weil wir ja wissen wollen, wo wir stehen. Zu viel an scheinbarem Erfolg und perfektem Leben anderer können allerdings zu einem chronischen Gefühl der Unzulänglichkeit führen, was wiederum unseren sozialen Stress verstärkt und uns unzufrieden und misslaunig macht.

Das wiederum bekommen dann auch die Menschen in unserem Umfeld zu spüren und führt im ungünstigen Falle zu weiterem Stress. Ein Teufelskreis.

Sozialer Stress hinterlässt oft tiefe Spuren: an unserer Gefühlslage, unserer Gesundheit und Leistungsfähigkeit und er kann zu Burnout oder psychischen Erkrankungen führen. Das liegt vor allem auch an der konstanten Exposition. Wir können aus den sozialen Strukturen, in die wir eingebettet sind, ja nicht einfach mal so ausbrechen. Stattdessen lernen wir Entspannungstechniken oder Meditieren, machen Yoga oder üben uns in achtsamem Nicht-Bewerten.

Das jedoch ist ein entscheidender Punkt: nicht unser Bewerten auszuschalten, sondern die Art und Weise, wie wir bewerten, zu überprüfen. Menschen bewerten immer. Unbewusst, denn es ist Teil ihres genetischen Überlebensprogramms. Genauso wie wir nicht nicht kommunizieren können, kann unser Gehirn nicht nicht bewerten. Das lässt sich in sozialen Interaktionen beobachten, wenn eine Person durch eine Bemerkung* einer anderen Person z.B. in eine gefühlte Unterlegenheit gerät und spontan unüberlegt und unangemessen reagiert, die Situation damit verschärft oder andere vor den Kopf stößt. (* z.B. ein Arbeitsauftrag, der die eigene Leistungsfähigkeit übersteigt oder eine geplante Freizeitaktivität zunichtemacht oder der in einem Tonfall oder einer Formulierung erteilt wird, die unangenehme Erinnerungen an früher triggert.)

Das, was eigentlich den Kitt im menschlichen Miteinander ausmachen sollte, bröckelt oft. Woran liegt das?

Sozialer Stress hat zusätzlich den Nachteil, dass er chronisch werden kann. Wenn sich keiner findet, der den ersten Schritt macht in Richtung einer Einigung oder Lösung des Konflikts, drohen nachhaltig beschädigte Menschen und kaputte Beziehungen. Ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Welche Lösung empfehlen wir?

Sozialer Stress lässt sich mit Entspannungstechniken oder Yoga bestenfalls kurzfristig, aber nicht dauerhaft entschärfen.

Ein erster wichtiger Schritt ist zu erkennen, dass wir an der Entstehung unseres (gefühlten) psychosozialen Stresses beteiligt sind. Wir können ihn nicht immer anderen Personen oder den Umständen anlasten. Stress hat Auslöser und die gilt es rechtzeitig zu erkennen oder, besser noch, präventiv auszuschalten. Je ausgeglichener und selbstwirksamer man sich fühlt, je sicherer man im Leben steht, desto besser steht es um die mentale Gesundheit. Eigentlich sollte diese ganz oben auf unserer Prioritätenliste stehen. Man kann daran arbeiten und sie nachhaltig stärken.

Wenn von Intelligenz die Rede ist, geht es meistens um die, die mit Intelligenztests gemessen wird und auch als kognitive Intelligenz bekannt ist. Wir Menschen verfügen aber noch über zwei weitere Intelligenzen: die emotionale Intelligenz und die soziale Intelligenz. Sie sind unterschiedlich gut ausgeprägt, gleichzeitig befinden sich alle drei in einem ständigen Wechselspiel.

Um die Sachfragen kümmert sich die kognitive Intelligenz. Mit emotionaler Intelligenz sind die Beziehung, die wir zu unseren Gefühlen haben, und unser Umgang damit gemeint. Denken und Fühlen spielt sich erst einmal innerhalb des eigenen Organismus ab. Sobald wir aber unter Menschen sind und mit diesen interagieren wollen oder müssen, kommt sozusagen eine weitere Dimension dazu: die soziale Intelligenz. Sie entscheidet darüber, wie gut wir in den unterschiedlichsten zwischenmenschlichen Situationen zurechtkommen, wie es uns dabei geht und wie wir auf andere Menschen wirken.

Auf dieses Wechselspiel setzt die Natürliche Reflexion als intelligente Reflexionsmethode.

Zu erkennen, was passiert in einer (schwierigen) Situation, zwischen wem und warum, ist die Basis unserer Arbeit. Diese Fähigkeit, Situationen schnell und umfassend (also kognitiv, emotional und sozial) bewerten zu können, um in ein sinnvolles Handeln zu kommen, geben wir an unsere Kunden weiter. Wir lösen mit ihnen akute Probleme und wir trainieren sie im Zusammenspiel ihrer kognitiven, ihrer emotionalen und ihrer sozialen Intelligenz, um sie handlungskompetent zu machen in allen Lebenssituationen.

Mit der Natürlichen Reflexion reduziert sich der soziale Stress und die Lebenszufriedenheit steigt,

  • weil die Angst vor Auseinandersetzungen, Streit und Konflikten sinkt, wenn man in der Lage ist, sie konstruktiv zu lösen
  • weil schwierige Themen ansprechbar werden, wenn man weiß, wie’s menschlich gut geht
  • weil man einen eigenen Weg für sich findet und diesen auch geht, allerdings nicht
    auf Kosten anderer
  • weil man eine Denkweise entwickelt, die positiv ist, Spaß macht und erfolgreich ist:
    zum Erreichen der eigenen Ziele und als Ansporn für andere, mitzumachen.

Eine mental gesunde Gesellschaft ist resilient, aktiv und zukunftsfähig. Das ist unsere Vision.