Toxische Menschen und ihr Verhalten in und außerhalb von Gemeinschaften: Frühzeitig erkennen und Schäden verhindern

von Sabine Stadler.

Dieser Artikel basiert auf Erfahrungen, die wir in unserer Arbeit mit betroffenen Kunden gewonnen haben.

Toxische Menschen oder Menschen mit toxischem Verhalten sind nicht auf bestimmte Kontexte oder Orte beschränkt. Sie können überall da auftreten und wirken, wo Menschen miteinander interagieren. Meist also innerhalb von Beziehungen und Gemeinschaften unterschiedlichster Art und Größe, offline und online, analog und virtuell. Sie können aber auch von außerhalb agieren und durch verdeckte Eingriffe ein gut eingespieltes soziales System oder Netzwerk in ernsthafte Turbulenzen bringen bis hin zur völligen Zerstörung.

Für Betroffene beginnt es oft mit dem diffusen Gefühl, dass irgendwas “nicht stimmt” oder einem “komisch vorkommt”. Diese unangenehme Empfindung kann ein erster Hinweis auf problematisches Verhalten im privaten oder beruflichen Umfeld sein. Manchmal legen Menschen Verhaltensweisen an den Tag, die das emotionale und soziale Gleichgewicht in Beziehungen und Gemeinschaften erheblich stören können. Das können offensichtliche verbale Angriffe oder persönliche Entgleisungen sein, oft sind toxische Aktivitäten aber auch subtil und schwer zu erkennen. Ihre Auswirkungen jedoch können tiefgreifend sein und das Risiko, dass das Wohlbefinden der Betroffenen erheblich beeinträchtigt wird, ist hoch.

Der Begriff “toxisch” ist psychologisch nicht wissenschaftlich fundiert, lässt sich aber von seiner Bedeutung – “giftig” oder “durch Gift verursacht” – her erschließen. Im übertragenen Sinne bezieht er sich auf Verhaltensweisen, die aufgrund ihrer besonderen Fiesheit das emotionale und psychische Wohlbefinden anderer beeinträchtigen, Beziehungen zerstören, das Familienklima destabilisieren oder Organisationen sprengen, ähnlich wie giftige Substanzen den Körper schädigen oder sogar töten können.

“Toxisch” ist im engeren Sinn auch kein Persönlichkeitsmerkmal, in Testungen konnte aber ein niedriger Wert im Bereich “Ehrlichkeit” nachgewiesen werden1). Oft handelt es sich um moralisch und sozial fragwürdiges Verhalten und eine bestimmte Art von Bösartigkeit, die in unterschiedlichen Ausprägungen auftreten. Psychologen sprechen dann beispielsweise auch von “dark factor”, einem Merkmal, das sich auf Menschen mit einem “dunklen Faktor der Persönlichkeit” bezieht.2)

Das Gift steckt sozusagen im Verhalten, das Menschen in bestimmten Situationen oder bestimmten Personen gegenüber an den Tag legen. Je häufiger solches Verhalten angewendet wird, desto nachhaltiger schädigt es das soziale Miteinander. Als Umschreibung für dysfunktionale oder destruktive Paarbeziehungen hat sich die “toxische Beziehung” inzwischen schon fast zum Modebegriff entwickelt, treffender wäre vermutlich der Ausdruck “toxische Dynamiken”, die in Gang gesetzt werden und viel Leid verursachen. Unserer Erfahrung nach hat toxisches Verhalten einen Grund oder Anlass und den gilt es herauszufinden. Die Natürliche Reflexion bietet hier enorme Vorteile, weil sie aufgrund ihrer Systematik und durch den Abgleich mit den natürlichen Grundmustern menschlichen Verhaltens schnell und sicher Diskrepanzen aufdeckt.

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Toxische Menschen verhalten sich nicht in jeder Situation gleich und können je nach Kontext unterschiedlich agieren. Es gibt bestimmte situative Faktoren, die toxisches Verhalten hervorrufen oder verstärken können. Diese Faktoren zu verstehen, hilft, toxisches Verhalten besser einzuordnen und darauf zu reagieren. Es gibt aber auch eine Reihe von Verhaltensmerkmalen, die auf toxisches Verhalten hindeuten können.

Wir haben unsere empirischen Befunde geclustert und eine eigene Liste von Merkmalen erstellt.

Selbstzentriertheit: Toxisches Verhalten ist oft antisozial und ichbezogen. Beispielsweise das Beharren auf dem eigenen Standpunkt, das Durchsetzen der eigenen Interessen, die Überhöhung der eigenen Wertigkeit, die Zuschreibung von Schuld in Konflikten oder von eigenen Problemen auf andere. Sie stellen oft ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche über die der anderen, was zu einem Ungleichgewicht in Beziehungen führt. Verantwortung für das eigene Handeln wird oft nicht übernommen, auf Entschuldigungen wartet man vergeblich. Die Kosten, oft emotional, tragen die Mitmenschen.  

Mangelnde Empathie: Toxisches Verhalten ist meist mit dem Fehlen von intuitiver Empathie verknüpft. Also die Form von Empathie, die sich als Gespür für eine andere Person und deren Situation oder Gefühlszustand beschreiben lässt, die ein Mitfühlen auslöst und die untrennbar mit einem grundsätzlichen Interesse an anderen Menschen verbunden ist.

Menschen mit toxischem Verhalten sind das nicht, weil ihr eigenes Gefühl für andere wie auch für sich selbst unter Umständen eine schlechte Entwicklung erlebt hat. Sie zeigen oft eine erschreckende Gleichgültigkeit gegenüber den Gefühlen und Bedürfnissen anderer, was es ihnen ermöglicht, rücksichtslos und verletzend zu handeln. Sie können aber durchaus kognitiv empathisch sein, also verstehen, wie andere ticken und Mitgefühl vortäuschen, um beispielsweise deren Schwächen auszunutzen.

Manipulation und Kontrolle: Menschen mit toxischem Verhalten neigen dazu, andere zu manipulieren, auszubeuten oder zu instrumentalisieren, um ihre eigenen Ziele zu erreichen. Dies kann durch emotionale Erpressung, Lügen, scheinbar grundlose Streitereien oder durch das Verdrehen der Wahrheit geschehen.

Unberechenbarkeit: Menschen mit toxischem Verhalten wollen nicht kalkulierbar sein und besitzen auch selbst oft kein Gefühl für Vertrauen oder Verlässlichkeit. Ihr Verhalten ist oft unvorhersehbar, inkonsistent oder schwer einzuordnen. Sie stiften gern Verwirrung und Unruhe oder verströmen eine unerklärliche Aggressivität, was dazu führt, dass sich andere Menschen unsicher und angespannt in ihrer Gegenwart fühlen und nicht wissen, wie sie reagieren sollen. Auch kann eine toxische Person in einem Moment charmant und freundlich sein, im nächsten jedoch kalt und abweisend. Die Betroffenen erleben eine emotionale Achterbahnfahrt, die sie erschöpft und ratlos hinterlässt.

Herabsetzung von anderen: Menschen mit toxischer Persönlichkeit verwenden häufig Kritik, Beleidigungen, Schuldzuweisungen oder sarkastische Bemerkungen, um andere herabzusetzen und ihr eigenes Selbstwertgefühl zu steigern.

Hidden Agenda: Menschen mit toxischem Verhalten vermeiden es, sich angreifbar oder haftbar zu machen. Wenn ihre Ziele gleichzeitig den Nachteil anderer Menschen bedeuten, versuchen sie diese geheim zu halten und verfolgen Strategien, die sich gut verschleiern lassen, indem sie Störfeuer an Nebenschauplätzen entfachen oder in bestimmten Fällen auch eine aufgesetzte Freundlichkeit an den Tag legen.

Storytelling: Menschen mit toxischem Verhalten haben die Fähigkeit, hoch emotionale Geschichten zu konstruieren, in denen sie sich selbst als Opfer inszenieren. Über Hilfsbereitschaft freuen sie sich, aber sie missbrauchen auch diese. Ihr Ziel ist, eine andere Person zu einem “Täter” zu erklären und dadurch zu diskreditieren. Die Folgen, geschäftliche Unglaubwürdigkeit oder soziale Isolation, können dramatisch sein. Eine Richtigstellung ist kaum möglich.

Unaufrichtigkeit: Menschen mit toxischem Verhalten sind gute Schauspieler, setzen bei Bedarf freundliche Masken auf und wirken oft zuvorkommend oder “besonders” nett. Bei genauerer Betrachtung kann man aber auch feststellen, dass toxische Personen selten entspannt, fröhlich oder glücklich wirken.

Situative Aggressivität: Wenn Menschen mit toxischem Verhalten die Gefahr wittern, “entlarvt” zu werden, reagieren sie impulsiv, feindselig oder aggressiv. Auch defensives Verhalten in Form von Rückzug oder Abstreiten jeglicher Verantwortung ist möglich, bis eine neue Taktik gefunden oder ein Rachefeldzug geplant ist.

Mangelnde Einsichtsfähigkeit: Menschen mit toxischem Verhalten stehen in der Regel nicht zu dem, was sie tun. Werden sie darauf angesprochen, streiten sie entweder alles ab oder drehen den Spieß um (Täter-Opfer-Umkehr). In der Regel reflektieren sie ihr Verhalten nicht, sie bereuen nicht und entschuldigen sich bestenfalls oberflächlich, wenn es unvermeidbar ist.

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Eine besonders heimtückische Form des toxischen Verhaltens tritt auf, wenn Menschen von außen auf eine Gemeinschaft einwirken. Diese Personen sind oft eng mit einem Mitglied der Gemeinschaft verbunden und versuchen, deren Ziele zu sabotieren, um ihre eigenen Interessen zu wahren. In der Gemeinschaft kommt es rund um die manipulierte Person vermehrt zu Spannungen, Missverständnissen oder Vertrauensbrüchen, die sich die Beteiligten lange nicht erklären können. Besonders häufig erleben wir hier Menschen, die beispielsweise berufliche Weiterentwicklungen ihrer Lebenspartner oder Lebenspartnerinnen torpedieren bis hin zu sozialer Isolation und Verlust des Arbeitsplatzes.

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Langfristiger Umgang mit toxischen Persönlichkeiten kann ernsthafte Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben, bis hin zu Depressionen und Angstzuständen. Die betroffenen Personen werden systematisch demoralisiert und beginnen, an ihrer Zurechnungsfähigkeit zu zweifeln, oder sie fügen sich ohnmächtig in ihr Schicksal und stumpfen gefühlsmäßig ab.

In Beziehungen können toxische Verhaltensweisen zu erheblichen Belastungen führen. Ständige Kritik und Manipulation untergraben das Selbstwertgefühl von Partnern oder Freunden. Dies kann zu einem zu einem Gefühl der Wertlosigkeit und Hilflosigkeit und einem Kreislauf der Abhängigkeit und des emotionalen Missbrauchs führen. Betroffene fühlen sich oft in diesem Zustand gefangen und sind unfähig, die Beziehung zu verlassen, obwohl sie wissen, dass sie ihnen schadet.

In Familien sind toxische Dynamiken besonders schädlich, da sie das Fundament des familiären Zusammenhalts untergraben. Betroffene Familienmitglieder entwickeln häufig ein gestörtes Selbstwertgefühl und leiden unter chronischem sozialen Stress.

In Gemeinschaften können toxische Menschen das soziale Gefüge ernsthaft beeinträchtigen. Sie schaffen Konflikte, indem sie unwahre Gerüchte verbreiten, Allianzen schmieden und Zwietracht säen. Dies kann zu einer unangenehmen Atmosphäre führen, in der Misstrauen und Spannungen herrschen. Dies kann die Zusammenarbeit und den Gemeinschaftssinn erheblich beeinträchtigen und dazu führen, dass Mitglieder sich zurückziehen oder sogar die Gemeinschaft verlassen. Es kann auch passieren, dass eine Gemeinschaft zerbricht, wenn die toxischen Verhaltensweisen nicht angegangen werden.

In geschäftlichen Verhandlungen können Täuschung und Irreführung durch eine toxische Person schwerwiegende Folgen haben. Da werden wichtige Informationen verschwiegen und Fakten verdreht, um einen Vorteil zu erlangen und Geschäftspartner zu übervorteilen. Das Vertrauen zwischen den Geschäftspartnern erodiert, was zukünftige Kooperationen gefährdet. Das Ergebnis der Verhandlungen ist suboptimal, da die Irreführung die Grundlage für nachhaltige und faire Geschäftsbeziehungen zerstört.

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Nach unserer Erfahrung nicht. Toxische Menschen empfinden in der Regel auch keinen Leidensdruck. Oft verfügen sie weder über ein Unrechtsempfinden noch über Schuldbewusstsein. Eventuelle Entschuldigungen sind lediglich Lippenbekenntnisse, um die Wogen zu glätten und ungehindert weiterzumachen.

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Toxisches Verhalten tritt meist nicht konstant auf, sondern wird durch verschiedene situative Faktoren beeinflusst. Unklare Strukturen, Selbstwertproblematiken, Dominanzstreben, emotionales Missempfinden, ein Auflehnen gegen Normen sowie komplexe Dynamiken in persönlichen Beziehungen spielen eine entscheidende Rolle. Erkennt man diese situativen Faktoren, kann man besser verstehen, wann und warum toxisches Verhalten auftritt, und geeignete Maßnahmen ergreifen, um dem entgegenzuwirken. Dieses Wissen und eine konsequente Methodik zur Aufdeckung toxischer Mechanismen und Entwicklung von Lösungsstrategien ist entscheidend, um sich selbst und andere vor den negativen Auswirkungen zu schützen, gesündere Interaktionen zu fördern und nachhaltige Resilienz zu gewinnen.

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Falls Sie unsicher sind: “Symptome”, die hellhörig machen sollten:

  • Wenn jemand scheinbar grundlos immer wieder Streit vom Zaun bricht,
  • wenn sich das Arbeits- oder Familienklima unangenehm verändert,
  • wenn das eigene Misstrauen zunimmt, welche Informationen man noch glauben kann,
  • wenn man mit Verhaltensweisen konfrontiert wird, die man nicht einordnen kann.

Vertrauen Sie auf Ihr Gefühl, werden Sie aktiv und holen Sie sich kompetente Unterstützung, um die Situation schnellstmöglich zu verstehen und handeln zu können!

Einen ersten wichtigen Überblick gewinnen Sie mit einer von uns moderierten Situationsanalyse.

Drei grundsätzliche Lösungsrichtungen kommen infrage:
1. Die Person mit toxischen Verhalten aus der Beziehung, Gemeinschaft oder Organisation entfernen.
2. Sich selbst aus dem Umfeld der toxischen Person entfernen, sich also distanzieren.
3. Die Person “entwaffnen” und damit sozusagen neutralisieren.

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Quellenangaben:

1) https://lexikon.stangl.eu/28148/toxische-persoenlichkeit

2) Moshagen, M., Hilbig, B. E., Zettler, I.: The Dark Core of Personality. In: Psychological Review, Vol 125(5), Oct 2018, 656-688)

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