Um des lieben Friedens willen

von Sabine Stadler.

Weihnachten naht und mit ihm eine Redewendung, die dann besonders oft zur Anwendung kommt. Anlass für uns, diese Worte genauer zu betrachten und zu prüfen, was sich denn dahinter so alles (unreflektiert) verbergen könnte. Auf der Suche nach der Bedeutung findet sich im Internet kaum mehr als “umgangssprachlich, um Streit zu vermeiden”.

Aber ist es denn wirklich so einfach?

Manchmal schon. Gerade an Weihnachten kommen regelmäßig Situationen auf einen zu, wo man die anderen Beteiligten und ihre Eigenheiten kennt. Vielleicht hat man sich schon mit mancher Bemerkung, obwohl gut gemeint, die Zunge verbrannt. Da ist z.B. die Schwägerin mit Hang zur perfekten Inneneinrichtung, die ungefragt Tipps zum “richtigen” Bilderaufhängen gibt. Sie wird derlei Themen künftig nicht mehr anschneiden, um sich nicht jedes Mal eine empörte Reaktion einzuhandeln. Oder der junge Ehemann, der die mittelmäßigen Versuche seiner Ehefrau, einen knusprigen Schweinebraten auf den Tisch zu bekommen, halbherzig goutiert. Dabei mag er gar keinen Schweinebraten, was er ihr aber nicht zu gestehen wagt aus Angst, sie zu verärgern. Vermutlich kennt fast jeder solche Erlebnisse aus dem eigenen Familienkreis, die meist nicht weh tun und am besten ins Reich der Anekdoten eingeordnet werden können.

Viel schwerwiegender kann sich das Ganze allerdings im geschäftlichen Bereich darstellen, in Beziehungen unter Kollegen, zwischen Führungskräften und Mitarbeitern, zwischen Unternehmen und Kunden oder Geschäftspartnern.

3 Beispiele

(1) Das mittelständische Unternehmen für Sonderapparatebau hatte einen interessanten Neukunden gewonnen. Die Konditionen waren geklärt, alle Vereinbarungen fixiert. Kurz vor der Unterschrift fordert der Kunde, die Auftragssumme bei gleicher Leistung um weitere 10 Prozent zu senken. Der Unternehmer gibt nach, weil er den Kunden nicht verlieren will. Der Kunde freut sich, Folgeaufträge kommen, der Kunde drückt die Preise weiter. Wie lange macht der Unternehmer dies um des lieben Friedens willen mit? Und zu welchem “Preis”?

(2) Der langjährige Mitarbeiter einer IT-Beratungsfirma steckte auf der mittleren Führungsebene fest. Er war brummig, wortkarg und intrigant, hatte aber unerklärlicherweise einen Stein im Brett bei einem der beiden Geschäftsführer. Die meisten Kollegen begegneten ihm um des lieben Friedens willen übervorsichtig, er sei eben schwierig, war die allgemeine Erklärung. Die Stimmung im Unternehmen verschlechterte sich, der Ärger bei denen, die die Launen des Mitarbeiters ausbaden musste, wuchs. Aber selbst die Geschäftsführung intervenierte nicht. Am Ende half  nur eine glückliche Fügung: Der Mitarbeiter verließ das Unternehmen auf eigenen Wunsch.

(3) Der Bereichsvorstand eines größeren Unternehmens begann eines Tages, seinen leitenden Manager erst abends darüber zu informieren, dass er bis zum nächsten Morgen dringend eine Präsentation zum Thema xy erwarte. Selbstverständlich erledigte der Mitarbeiter diesen Auftrag wunschgemäß. Das Vorgehen wiederholte sich, der Mitarbeiter musste weitere Abende und Nächte opfern, um die kurzfristigen Aufträge abzuarbeiten. Bis die Ehefrau genug hatte von allein verbrachten privaten Aktivitäten und die Geduld verlor.

Was können wir daraus lernen?

Situationen, die “um des lieben Friedens willen” entstehen, sind oft unreflektierte Kompromisse. Sie führen in persönliche Zwickmühlen, aus denen man – je länger man sie mitmacht – nur mehr schwer herauskommt und sich von Mal zu Mal hilfloser fühlt.

Die Lösung?

Es empfiehlt sich, solche Situationen gründlich zu reflektieren. Standort und Sichtweise von allen Beteiligten zu betrachten, die Kompromisse ggf. zu bepreisen. Herausfinden, ob der Kompromiss sich überhaupt lohnt, wer davon profitiert oder das Nachsehen hat und dann das Problem offen ansprechen.

Aber Achtung: Ein solches Gespräch will gut vorbereitet sein!

Vor allem ist es wichtig zu wissen, warum man im entscheidenden Moment lieber wegsieht oder den Mund hält oder lieber zustimmt als Stellung zu beziehen. Denn hier liegt der Ansatzpunkt, auf dem man die individuell passende Lösung aufsetzen kann: Eine gute Argumentation, ein sinnvoller Vorschlag für ein besseres Vorgehen, die richtigen Worte, Vermeidung von Kritik oder Vorwürfen und ein ruhig-freundlicher Tonfall. Im Fall des Mitarbeiters aus Beispiel (3), der sich an uns gewandt hatte, funktionierte die Argumentation über erhöhte Fehleranfälligkeit und Häufung von Ungenauigkeiten in den Präsentationen und Vorschlägen, wie die Performance durch längere Vorlaufzeit erhöht werden könne. So musste keiner eine Schwäche oder ein Fehlverhalten zugeben und die Gefahr eines Gesichtsverlustes war ebenfalls nicht gegeben.

Menschen leben und arbeiten in Beziehungen, ohne Beziehungen wären wir nichts. Aber wie oft macht man sich eigentlich Gedanken über die Qualität oder den Wert dieser Beziehungen? Und wie oft reflektiert man das eigene Verhalten innerhalb von Beziehungen?

Höchste Zeit also, Situationen, die man “um des lieben Friedens willen” irgendwie hinter sich bringt, mal gründlich zu hinterfragen. Wer sowohl das eigene Verhalten als auch das der anderen besser nachvollziehen möchte, nutzt dafür am besten die Natürliche Reflexion. Auszuprobieren am besten bei einem Reflexionsspaziergang. Termine sind jederzeit nach Vereinbarung möglich unter siegfried.stadler@hyperskill.de.