von Sabine Stadler.
Mal ganz ehrlich: Angenommen, Sie kochen gern und oft? Wie häufig räumen Sie Ihre Küche auf? Jeden Tag? Sehr gut. Haben Sie jederzeit einen Überblick, wo sich in Ihrer Küche was befindet, auch ohne dass Sie die Schränke öffnen? Perfekt. Sie müssen nicht lange überlegen, um zu wissen, was schneller verarbeitet werden muss und was noch Zeit hat? Super! Wie halten Sie es mit der Sauberkeit? Wie oft stolpern Sie in Ihrer Küche über etwas, was Sie ständig stört? – Was für Fragen, könnte man denken. Dass sich in einer chaotischen und ungepflegten Küche nicht gut aufwendige 3-Gänge-Menus herstellen lassen, ist doch klar.
Unser Gehirn soll in Ordnung gehalten und gepflegt werden – muss das sein? Und wie könnte das aussehen?
Unser Gehirn ist unsere wichtigste geistige Ressource. Aus der Hirnforschung wissen wir einiges über seine Arbeitsweise.
Wir haben nun die Wahl: Wollen wir gegen unser Gehirn arbeiten oder mit ihm zusammen unser geistiges Potenzial besser ausschöpfen?
Mit ihm zusammen bedeutet, das Gehirn und seine Arbeitsweise zu verstehen und ernst zu nehmen. Ein unaufgeräumtes und unsortiertes Gehirn tut sich schon beim Denken schwerer als ein geordnetes. Unser Gehirn stellt uns eine riesige Anzahl an Nervenzellen zur Verfügung, die sich zu hochkomplexen neuronalen Netzen verknüpfen lassen. Wie diese Netze geknüpft werden, haben wir zumindest teilweise selbst in der Hand. Entscheidend ist beispielsweise unsere Art zu denken (linear oder vernetzt, starr oder dynamisch), unterschiedliche und neue Wege auszuprobieren, Fehler zu machen und daraus zu lernen und ein gutes Ordnungssystem zu schaffen. Denn das ist die Voraussetzung für das, was unser Gehirn nach anstrengender geistiger Arbeit am meisten braucht: regelmäßige Entspannung. Das können kürzere Einheiten zum geistigen Abschalten sein oder längere Zeiträume zur mentalen Erholung. Die wichtigste Regenerationsquelle für unser Gehirn ist der Schlaf. Und der leidet immer öfter.
Für die Qualität der Erholung ist maßgeblich, ob man ein Ritual hat, mit dem man den Übergang von der geistigen Arbeit zur geistigen Erholung schafft.
Ein Ritual, das ein klares Ende des einen sowie einen klaren Beginn des anderen Prozesses markiert. Wie in der Küche auch, da ist jeder Arbeitsschritt klar definiert und erfordert eine gewisse Rüstzeit. Mental ist das schwieriger und braucht aktive Unterstützung, weil beide Prozesse – also die Arbeit und die Erholung – im Gehirn stattfinden, dieselben neuronalen Strukturen beanspruchen und man sein Gehirn ja nicht schnell mal verlassen oder ausschalten kann. Auch seine Gedanken hat man immer dabei, ob man das will oder nicht.
Entscheidend dafür, ob abschalten, entspannen oder erholen wirklich klappen, dass nicht ständig störende Gedanken dazwischenfunken und das Gehirn auftanken kann, sind 3 Dinge:
1) Eine Methodik, mit der sich Gedanken ordnen lassen,
2) ein Ritual, mit dem Einleitung und Ende der Erholungsphase definiert und durchgeführt werden und
3) ein entsprechendes Ordnungssystem, in das die unterschiedlichen Gedanken (Aufgaben, Ereignisse, Pläne, aber auch: Sorgen, Probleme, ungelöste Konflikte etc.) eingeordnet werden können, je nachdem, ob sie auf Wiedervorlage sind oder dauerhaft abgelegt werden sollen, ohne dass ein späterer Zugriff verhindert würde.
So lässt sich dauerhaft vermeiden, dass einem unerwünschte Gedanken zum falschen Zeitpunkt dazwischenfunken.
Wie solche individuell geeigneten Rituale und Ordnungssysteme etabliert werden können, ist einer der Bausteine der Natürlichen Reflexion.